Analyse zeigt: +22 % mehr PKV-Leistungsfälle (in nur 12 Monaten) – Wahlarzt-Boom löst Schadenwelle aus
Zuletzt aktualisiert: 08.05.2025
Autor: Sebastian Arthofer, MSc
Inhaltsverzeichnis
Wir von krankenversichern.at haben die frisch veröffentlichten Marktdaten des VVO unter die Lupe genommen – und ein klares Muster entdeckt:
Der Boom bei Wahlarzt-Besuchen treibt die Leistungsfälle in der privaten Krankenversicherung (PKV) bzw. der Zusatzversicherung nach oben wie nie zuvor.
2024 hat der Wahlarzt-Boom das Schaden-Rad der Privat-Krankenversicherung noch schneller gedreht: Rund 6,7 Mio. Leistungsfälle (+22 % / +1,2 Mio. vs. 2023) treffen auf erstmals mehr als 2 Mrd. € Soforterstattungen.
Unsere Analyse zeigt, dass der nahezu identische Anstieg der Arztkosten (+23 %) die direkte Ursache für diese „Schadenwelle“ ist. Im Folgenden bündeln wir die wichtigsten Fakten – komprimiert, zitierfähig und inklusive Handlungstipps für Versicherte.
Das Wichtigste im Überblick
- Leistungsfall-Rekord: 6,675 Mio. Schaden- und Leistungsfälle 2024 (➜ +22 % bzw. +1,214 Mio. Fälle YoY)
- Milliarden-Meilenstein: 2,006 Mrd. € sofort an Kund:innen ausbezahlt – erster Sprung über die 2-Mrd.-Grenze
- Arztleistungen als Haupttreiber: Kosten im niedergelassenen Bereich stiegen von 247,6 Mio. € auf 304,6 Mio. € (+23 %)
- Ursache – Wirkung klar belegt: Die nahezu identische Wachstumsrate bei Arztleistungen (+23 %) und Leistungsfällen (+22 %) zeigt, dass der Wahlarzt-Trend die Schadenwelle auslöst.
- Trotz Mengenexplosion keine Leistungsstau-Signale: 6 von 7 Versicherern bieten bereits Apps für die digitale Rückerstattung – wer Rechnungen laufend hochlädt, vermeidet längere Bearbeitungszeiten zum Jahresende (Ergebnis unseres PKV Customer-Journey-Index).
Rekordanstieg der Schaden- und Leistungsfälle
Von 3,55 Mio. Fällen 2019 auf 6,68 Mio. 2024 – das sind +3,13 Mio. zusätzliche Schaden- und Leistungsfälle in nur fünf Jahren (+88 %). Seit 2022 steigt die Kurve stark an:
Jahr | Fälle (Mio.) | Δ zum Vorjahr |
---|---|---|
2019 | 3,55 | – |
2020 | 3,65 | +2,8 % |
2021 | 3,97 | +8,8 % |
2022 | 4,43 | +11,6 % |
2023 | 5,46 | +23,3 % |
Parallel dazu schnellen die Auszahlungen für Arztleistungen 2024 um +23 % auf 304,6 Mio. € hoch; die Wachstumsraten von Leistungsfällen (+22 %) und Arztkosten laufen nahezu im Gleichschritt – ein klarer Hinweis darauf, dass der Wahlarzt-Boom die Schadenwelle auslöst.
Wahlarzt-Boom & Arztleistungen als Kostentreiber der PKV
In Österreich können Patient:innen frei entscheiden, ob sie zu einer Kassenärztin oder einem Wahlarzt gehen – also zu einem Arzt, der keinen direkten Vertrag mit der Krankenkasse hat.
Die Behandlung beim Wahlarzt muss zuerst selbst bezahlt werden, ein Teil der Kosten wird später rückerstattet – je nachdem, wie man versichert ist.
In den letzten Jahren entscheiden sich immer mehr Menschen für diesen Weg. Warum? Kürzere Wartezeiten, mehr Zeit für Gespräche und oft ein persönlicheres Verhältnis überzeugen viele Patient:innen.
Damit ist der Wahlarzt längst kein Randphänomen mehr – sondern Alltag für Millionen Menschen. In Österreich stehen rund 11.500 Wahlärzte nunmehr 8.300 Kassenärzten gegenüber. Diese Entwicklung, in Kombination mit den oft langen Wartezeiten bei Kassenärzten, führt zu einer stark steigenden Nachfrage nach Wahlarztbesuchen.
Der Anteil der Wahlarztbesuche in manchen Bundesländern liegt schon bei über 50 %. Besonders stark ist der Trend in Wien, wo rund 43 % der Arztkontakte über Wahlarztordinationen erfolgen.
So entwickeln sich die ausbezahlten Arztleistungen seit 2019
Was vor fünf Jahren noch wie ein moderater Kostenfaktor wirkte, hat sich mittlerweile zu einer Kostenwelle entwickelt, die kaum noch aufzuhalten ist.
Im Jahr 2019 zahlten private Krankenversicherer rund 168,78 Millionen Euro für ärztliche Leistungen im niedergelassenen Bereich aus – also für Wahlarztbesuche und vergleichbare Behandlungen.
Jahr für Jahr stiegen die Ausgaben leicht – bis sich ab 2021 der Trend deutlich beschleunigte.
Was dann folgte, war eine Kostenentwicklung im Zeitraffer:
Von 194,57 Millionen Euro im Jahr 2021 stiegen die Arztleistungen bis 2024 auf 304,56 Millionen Euro.
Besonders beachtlich: Allein im letzten Jahr lag das Plus bei +23 %, der höchste Zuwachs seit Beginn der Messung. In Summe ergibt das eine Steigerung um rund 76 % in nur fünf Jahren.
Die Zahlen zeigen klar: Der Wahlarzt ist längst kein Privileg mehr für wenige, sondern fester Bestandteil der Gesundheitsversorgung – mit spürbaren finanziellen Folgen für die Versicherer.
Rekordanstieg & Ursache-Wirkung im Zahlenvergleich
Ein Blick auf die letzten fünf Jahre zeigt ein fast synchrones Auf und Ab: Immer dann, wenn die Auszahlungen für Arztleistungen kräftig zulegen, schnellen auch die Schaden- und Leistungsfälle nach oben.
Jede zusätzliche Wahlarzt-Konsultation erzeugt eine Honorarnote – und jede Honorarnote wird als Leistungsfall gezählt. Das erklärt, warum die Leistungsfälle genau in den Jahren mit zweistelligen Arztkosten-Sprüngen explodieren.
Jahr | Leistungsfälle Δ YoY | Arztleistungen Δ YoY* |
---|---|---|
2020 | +2,8 % | +5,8 % |
2021 | +8,8 % | +8,9 % |
2022 | +11,6 % | +13,2 % |
2023 | +23,3 % | +17,8 % |
2024 | +22,2 % | +23,0 % |
*Auszahlungen für Arztleistungen im Vergleich zum jeweiligen Vorjahr (VVO-Daten).
Was daran auffällt
- Synchroner Trend: Ab 2021 laufen beide Kennzahlen nahezu im Gleichschritt – besonders ausgeprägt 2023 / 2024, wo beide Größen über +22 % wachsen.
- Kausalität plausibel: Mehr Wahlarzt-Besuche ⇒ mehr Honorarnoten ⇒ mehr Leistungsfälle.
- Effekt verstärkt sich: Seit der Pandemie etablieren Versicherer und Praxen digitale Einreich-Apps; damit sinkt die Schwelle, auch kleinere Rechnungen sofort einzureichen.
3 praktische Tipps, damit Sie trotz „Schadenwelle“ schneller zu Ihrem Geld kommen
Rechnungen digital einreichen – per Kundenportal oder App
Alle großen PKV-Gesellschaften (6 von 7) bieten mittlerweile Apps oder Online-Portale, in denen Sie Wahlarzt-Rechnungen in wenigen Klicks hochladen können. Fotografieren Sie die Honorarnote direkt nach dem Arztbesuch – am besten bei gutem Licht, sodass alle Beträge lesbar sind – und schicken Sie das Bild sofort ab. Die Erfahrung unserer Kund:innen zeigt: Digitale Einreichungen werden im Schnitt mehrere Tage früher freigegeben als Post- oder E-Mail-Sendungen.
Honorarnote + Zahlungsbestätigung als ein PDF bündeln
Sachbearbeiter:innen benötigen oft
- den Zahlungsnachweis (Konto- oder Bankomatbeleg)
- zusammen mit der Honorarnote
- sowie der ÖGK-Rückerstattungsbestätigung
Fassen Sie alle Seiten in einer PDF-Datei zusammen; das reduziert Rückfragen und beschleunigt die Prüfung. Kostenlose Smartphone-Scanner-Apps (z. B. Adobe Scan, Microsoft Lens) erstellen automatisch ein mehrseitiges PDF, das Sie direkt im Portal hochladen können.
Laufend einreichen, nicht erst zum Jahresende
Zum Jahresende steigt das Aufkommen an Rückerstattungen sprunghaft – Bearbeitungszeiten verlängern sich spürbar. Laden Sie deshalb jede Rechnung möglichst zeitnah hoch: Sie erhalten Ihr Geld schneller zurück und entlasten den Service in Spitzenzeiten. Wer monatlich oder quartalsweise einreicht, wartet erfahrungsgemäß nur wenige Tage, während Dezember-Anträge oft erst im neuen Jahr ausbezahlt werden.
Alle im Artikel genannten Zahlen stammen aus den aktuellen Jahresberichten des Versicherungsverbandes Österreich (VVO). Die vollständigen Datensätze können öffentlich eingesehen und als PDF heruntergeladen werden. Sie finden die Berichte unter folgendem Link: vvonet.vvo.at/publikation_Jahresberichte aktuell .
Sebastian Arthofer, Akad. FDL ist Experte auf dem Gebiet der privaten Krankenversicherungen für Österreich. Er engagiert sich dafür, Klarheit im Versicherungsbereich zu schaffen, damit die Kunden vollumfängliche die beste Information zur privaten Krankenversicherung erhalten. Weitere Infos zu Benjamin finden Sie auf unserer Autorenseite.